Bürgergeld: Jobcenter zahlt nicht – obwohl Vertrag vorliegt - Gericht zweifelt

20. Juni 2025
Ein aktueller Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zeigt erneut: Wer beim Jobcenter Kosten für eine Wohnung geltend machen will, muss bei Mietverträgen mit Familienangehörigen besonders aufpassen. (Az: L 2 AS 684/25 ER-B) Eine fünfköpfige Familie beantragte beim Jobcenter zusätzliche Leistungen für ihre Unterkunft. Sie wohnt seit Jahren mietfrei in einer Wohnung, die der Mutter gehört. Im Jahr 2022 wurde ein schriftlicher Mietvertrag geschlossen, um die Nebenkosten von monatlich 385 Euro geltend zu machen. Später einigte man sich darauf, dass zunächst nur diese Nebenkosten gezahlt werden sollten – rückwirkend ab Oktober 2022. Die Mutter verzichtete ausdrücklich auf die Kaltmiete, solange die Nebenkosten regelmäßig gezahlt werden. Trotzdem erkannte das Jobcenter die Nebenkosten nicht als Bedarf an – und das Gericht gab dem Amt recht. Kein ernsthaftes Mietverhältnis erkennbar Das Gericht zweifelte daran, dass es sich um ein „echtes“ Mietverhältnis handelt. Begründung: Die Mutter habe jahrelang auf Mietzahlungen verzichtet. Auch bei Zahlungsverzug habe sie nie Konsequenzen gezogen. Die Vereinbarung, nur Nebenkosten zu verlangen, sei rückwirkend und ungewöhnlich. Tatsächlich gezahlt wurden nur 320 € monatlich – obwohl im Vertrag 385 € vereinbart waren. All das spreche gegen ein ernsthaftes, einklagbares Mietverhältnis. Solche Absprachen unter Verwandten würden vom Jobcenter nur anerkannt, wenn sie „fremdüblich“ seien – also so, wie man es auch mit einem fremden Vermieter machen würde. Entscheidend ist nicht nur, was im Vertrag steht, sondern ob die Vereinbarung auch tatsächlich gelebt und durchgesetzt wird. Eilantrag abgelehnt – kein akuter Wohnungsverlust droht Auch der Versuch, im Eilverfahren (einstweilige Anordnung) mehr Geld zu bekommen, scheiterte. Das Gericht stellte klar: Solange keine konkrete Gefahr besteht, dass die Familie ihre Wohnung verliert, besteht kein akuter Handlungsbedarf, der einen Eilantrag rechtfertigt. Außerdem: Die betroffene Familie hatte die Leistungsbescheide des Jobcenters nicht rechtzeitig angefochten – damit waren sie bestandskräftig. Das bedeutet: Selbst wenn das Jobcenter zu wenig gezahlt hat, kann das Gericht später keine vorläufigen Leistungen mehr anordnen. Wer seine Rechte nicht rechtzeitig sichert, hat oft das Nachsehen. Lesen Sie auch: Bürgergeld: Dieses Recht im Jobcenter solltest Du unbedingt in Anspruch nehmen Bürgergeld: Jobcenter muss die Reparatur des Autos zahlen Was bedeutet das für Betroffene? 1. Mietverträge mit Angehörigen sind besonders prüfungsintensiv: Sie werden vom Jobcenter nur anerkannt, wenn sie klar, schriftlich und „fremdüblich“ sind – also wie bei einem echten Mietverhältnis. Das bedeutet: Es muss ein klarer Mietbeginn, eine feste Miete und ein realistischer Zahlungsmodus vereinbart sein. Und: Es muss Konsequenzen geben, wenn die Miete nicht gezahlt wird. 2. Miete muss regelmäßig gezahlt werden: Wer unregelmäßig oder gar nicht zahlt, riskiert, dass das Jobcenter den Mietvertrag als Gefälligkeitsverhältnis einstuft – also als bloße familiäre Unterstützung ohne rechtliche Verbindlichkeit. Dann besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch das Jobcenter. 3. Keine Rückwirkung auf frühere Zeiträume: Verträge oder Vereinbarungen, die rückwirkend abgeschlossen werden, haben in der Regel keine rechtliche Wirkung im SGB II. Leistungen gibt es grundsätzlich nur für „zukünftige, aktuelle Bedarfe“ – nicht rückwirkend für Zeiträume, in denen kein klarer, dokumentierter Bedarf bestand. 4. Widersprüche nicht vergessen: Wer Bescheide nicht rechtzeitig mit Widerspruch anficht, kann später keine einstweilige Anordnung mehr beantragen. Bestandskräftige Bescheide sind – mit wenigen Ausnahmen – rechtlich nicht mehr angreifbar. Im Zweifel lieber Widerspruch einlegen und später zurückziehen, als zu spät zu handeln. Tipp von der gegen-hartz Redaktion Wenn du mit Familienangehörigen mietest und auf Kostenübernahme durch das Jobcenter angewiesen bist: Schließe einen schriftlichen Vertrag vor Beginn des Mietverhältnisses. Zahle die vereinbarte Miete regelmäßig und nachweisbar (z. B. per Überweisung). Reagiere sofort mit Widerspruch, wenn das Jobcenter Leistungen ablehnt oder kürzt. Hole dir im Zweifel frühzeitig rechtliche Beratung – z. B. bei einer Sozialberatungsstelle oder einem Fachanwalt für Sozialrecht. Hintergrund: Warum schaut das Jobcenter bei Verwandten so genau hin? Das SGB II sieht vor, dass Leistungen nur dann gezahlt werden, wenn ein „Bedarf“ besteht. Bei Mietverhältnissen mit nahen Verwandten prüft das Jobcenter besonders genau, ob es sich wirklich um ein „wirtschaftlich belastendes Verhältnis“ handelt – oder ob lediglich formale Verträge abgeschlossen wurden, ohne dass tatsächlich gezahlt wird oder ernsthafte Forderungen bestehen. Diese Rechtsprechung ist nicht neu, wird aber immer wieder durch aktuelle Fälle wie diesen bestätigt. Wer mit Eltern, Kindern oder Geschwistern zusammenlebt und dafür Mietkosten vom Jobcenter erhalten möchte, sollte sich gut vorbereiten und beraten lassen.
Aktuelles
20. Juni 2025
Seitdem Arztpraxen Krankmeldungen elektronisch übermitteln, hat sich für Arbeitnehmer sowie Empfänger von Arbeitslosen und Bürgergeld einiges vereinfacht. Dennoch gibt es weiterhin wichtige Regeln, die Sie bei einer Krankmeldung beachten müssen. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, worauf es ankommt und warum Sorgfalt bei der Krankmeldung nicht nur Formalität, sondern auch arbeitsrechtlich relevant ist. Krankmeldung beim Arbeitgeber Wenn Sie krank sind und Ihrer Arbeit nicht nachkommen können, müssen Sie dies Ihrem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch am ersten Krankheitstag, mitteilen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Rücksichtnahme und zur unverzüglichen Information. Um Missverständnisse zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf in der Personalplanung zu gewährleisten, sollte die Krankmeldung möglichst zu Arbeitsbeginn erfolgen. Ein einfacher Anruf genügt – auch eine dritte Person, etwa ein Familienmitglied oder eine Betreuungskraft, kann diese Mitteilung übernehmen, falls Sie selbst gesundheitlich dazu nicht in der Lage sind. Die bloße Mitteilung, dass Sie arbeitsunfähig sind, reicht zunächst aus. Eine ärztliche Bescheinigung benötigen Sie in der Regel erst ab dem vierten Krankheitstag, sofern im Arbeits- oder Tarifvertrag keine strengeren Regelungen enthalten sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie drei Tage ohne Nachweis fehlen dürfen – denn der Arbeitgeber kann gemäß einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 5 AZR 726/96) auch schon ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung verlangen. Dieses Recht steht ihm jederzeit zu, ohne dass er dafür eine besondere Begründung liefern muss. Auch das Urteil 5 AZR 886/11 bestätigt die Zulässigkeit dieser Praxis. Kommt es dazu, sind Sie verpflichtet, schon am ersten Tag Ihrer Erkrankung ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und ein Attest vorzulegen. Die ärztliche Bescheinigung (AU) Dauert Ihre Erkrankung länger als drei Kalendertage, sind Sie gesetzlich verpflichtet, spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung über Ihre Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Diese Verpflichtung betrifft sowohl Angestellte im öffentlichen Dienst als auch Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Seit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) im Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens müssen Sie diese nicht mehr in Papierform beim Arbeitgeber einreichen. Die Arztpraxis übermittelt die Bescheinigung direkt an Ihre gesetzliche Krankenkasse, welche wiederum die Daten dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Es bleibt jedoch Ihre Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Nachweis fristgerecht erfolgt. Die elektronische Übertragung entbindet Sie nicht von Ihrer Nachweispflicht. Es kann beispielsweise vorkommen, dass technische Probleme oder Verzögerungen bei der Übermittlung auftreten. Daher ist es ratsam, sich frühzeitig zu vergewissern, dass die eAU erfolgreich übermittelt wurde – etwa durch Rückfrage bei der Krankenkasse. Wird die Bescheinigung nicht rechtzeitig übermittelt, kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Im ersten Schritt droht eine Abmahnung. Wird die Pflicht zur Krankmeldung wiederholt verletzt, ist sogar eine verhaltensbedingte Kündigung rechtlich zulässig. Lesen Sie auch: Krankengeld ist auch bei verspäteter Krankmeldung möglich – Urteil So kann man das Krankengeld auch verlängern Inhalt der elektronischen Krankmeldung Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält ausschließlich die für den Arbeitgeber notwendigen Informationen. Dazu zählen Ihr vollständiger Name, der Beginn und das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit sowie das Datum der ärztlichen Feststellung. Auch ob es sich um eine Erstbescheinigung oder eine Folgebescheinigung handelt, wird vermerkt. Darüber hinaus wird dokumentiert, ob die Arbeitsunfähigkeit möglicherweise auf einen Arbeitsunfall oder ein vergleichbares Ereignis zurückzuführen ist. Diese Daten ermöglichen es dem Arbeitgeber, die Abwesenheitsdauer korrekt zu erfassen, Lohnfortzahlungen zu planen und gegebenenfalls eine Vertretung zu organisieren. Die klare Trennung zwischen medizinischer Diagnose und organisatorischer Information stellt sicher, dass sensible Gesundheitsdaten geschützt bleiben. Datenschutz: Was der Arbeitgeber nicht erfährt Der Arbeitgeber erhält keinerlei Angaben zur Art der Erkrankung oder zu Details der medizinischen Behandlung. Diagnosen und Symptome gehören nicht zu den übermittelten Informationen. Dies ist ein zentraler Aspekt des Datenschutzes im Gesundheitswesen und schützt Ihre Privatsphäre als Patient. Ärztliche Schweigepflicht und Datenschutzgesetze sorgen dafür, dass Sie ohne Angst vor Stigmatisierung oder Benachteiligung eine Krankmeldung abgeben können. Selbst bei längerer oder wiederholter Erkrankung darf der Arbeitgeber keine Rückschlüsse auf die medizinische Diagnose ziehen. Wer bekommt keine elektronische Krankmeldung? Nicht alle Versicherten profitieren von der eAU. Privatversicherte, Minijobber in Privathaushalten und Personen, die sich von Ärzten behandeln lassen, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, sind von der elektronischen Übermittlung ausgenommen. In solchen Fällen erhalten Sie weiterhin die herkömmliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform – umgangssprachlich als „gelber Schein“ bekannt. Auch wenn Sie zu einer dieser Gruppen gehören, gelten dieselben Fristen und Pflichten zur Vorlage der Bescheinigung. Sie müssen das Attest auf dem Postweg oder persönlich an Ihren Arbeitgeber weiterleiten. Eine rechtzeitige Abgabe ist ebenso verpflichtend wie bei gesetzlich Versicherten mit eAU. Die Form der Übermittlung ändert nichts an der gesetzlichen Verpflichtung zur Krankmeldung. Krankheit im Urlaub Erkranken Sie während Ihres Urlaubs, verlieren Sie nicht automatisch Ihre Urlaubstage. Das Bundesurlaubsgesetz sieht ausdrücklich vor, dass Krankheitstage, die ärztlich bescheinigt wurden, nicht als Urlaubstage gewertet werden. Damit Sie diesen Anspruch geltend machen können, müssen Sie sich jedoch auch im Urlaub ärztlich krankschreiben lassen – und zwar möglichst ab dem ersten Krankheitstag. Dies gilt unabhängig davon, ob Sie sich im In oder Ausland befinden. Eine bloße Mitteilung über eine Erkrankung ohne ärztliches Attest reicht nicht aus, um eine spätere Nachholung der Urlaubstage durchzusetzen. Darüber hinaus sind Sie verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich über Ihre Erkrankung und Ihren Aufenthaltsort zu informieren. Auch hier empfiehlt sich eine telefonische Kontaktaufnahme oder eine EMail mit Angabe des Landes, in dem Sie sich befinden. Der Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit muss den Anforderungen an eine Bescheinigung nach deutschem Recht genügen, auch wenn diese im Ausland ausgestellt wurde.
20. Juni 2025
Eine Witwenrente wird grundsätzlich erst ausgezahlt, wenn die Partner mindestens ein Jahr verheiratet waren. Ausnahmen sind unvorhersehbare Tode, zum Beispiel durch einen Unfall. Dies soll verhindern, dass Betroffene die Ehe nur eingehen, damit der verbliebene Partner nach dem absehbaren Tod versorgt wird. Das Landessozialgericht Hessen entschied zwar, dass die Adoption des Kindes einer Verstorbenen durch den Partner ebenfalls gegen eine Versorgungsehe sprechen kann. Das gilt aber nur, wenn das Abwägen aller Motive beider Ehepartner diesen Schluss zulässt. (L 5 R 240 / 05) Die Motive werden umfassend geprüft Wenn der Hinterbliebene oder die Witwe bestreiten, dass es sich um eine Versorgungsehe handelte, dann sieht das Verfahren vor, alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen, um zu entscheiden, welche Gesichtspunkte für und welche gegen einen Versorgungszweck der kurzen Ehedauer sprechen. Dabei spielen alle Motive der Partner für die Heirat eine Rolle, und dazu zählen auch die höchstpersönlichen und subjektiven. Heirat während Krebserkrankung Der Witwer hatte im konkreten Fall mit der Verstorbenen und ihrem Sohn in einer Wohnung zusammengelebt. Das zum Zeitpunkt des Todes 13-jährige Kind war nicht von ihm, und der Vater ist unbekannt. Die Ehefrau arbeitete versicherungspflichtig als Kraftfahrerin. Zweieinhalb Jahre vor ihrem Tod wurde bei der Frau ein bösartiges Melanom an der Schläfe entfernt, und erst einmal arbeitete sie weiter, während der Kläger arbeitslos war. Zwei Jahre später traten bei der Frau multiple Knoten in der Haut auf, dann erlitt sie einen epileptischen Anfall, und Ärzte diagnostizierten intrakranielle, thorakale, abdominale und dermale Metastasen. Die Betroffene wurde über die Schwere ihrer Krebserkrankung informiert. Kurz darauf heirateten der Kläger und die Krebspatientin. Ihre Schwester war Trauzeugin, und eine größere Hochzeitsfeier gab es nicht. Lesen Sie auch: Historische Änderungen bei der Witwenrente: Wer vom neuen Recht betroffen ist Witwenrente 2025: Neue Freibeträge, klare Regeln – so bleiben Ihre Ansprüche geschützt Ehemann will Sohn adoptieren Wenig später bat der Kläger beim zuständigen Jugendamt um die Erlaubnis, den Sohn seiner Ehefrau zu adoptieren. Er begründete dies damit, dass sie infolge ihrer Krebserkrankung bald sterben würde. Das Adoptionsverfahren wurde nicht abgeschlossen, nachdem der Ehemann zwei Monate später erklärte, dies ginge vorerst nicht, da Gegensätze in der Auffassung zur Kindererziehung bestünden. Drei Monate später starb die Ehefrau, nachdem sie in mehreren Kliniken behandelt worden war. Die Vormundschaft für den Sohn übernahm ihre Mutter. Adoption war Hauptgrund für die Heirat Knapp ein Jahr nach dem Tod stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente. Die Rentenversicherung lehnte diesen ab, mit dem Hinweis, dass die Ehe weniger als ein Jahr gedauert und der Kläger die Vermutung nicht widerlegt habe, dass es sich um eine Versorgungsehe gehandelt hatte. Der Bevollmächtigte des Ehemanns legte Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Ehe seit Jahren geplant gewesen sei und die Erkrankung der Ehefrau die Eheschließung nur beschleunigt hätte. Kläger und Versicherte hätten nur gewollt, dass der Sohn gut aufgehoben sei. Deshalb habe der Mann ihn adoptieren wollen. Die Heirat sollte die Bindung zwischen dem Kläger und dem Kind stärken. Zusammen mit der emotionalen Verbundenheit sei dies der Hauptgrund für die Ehe gewesen. Der Ehemann hätte überhaupt erst nach dem Tod erfahren, dass es die Möglichkeit einer Hinterbliebenenrente gebe. Mutter will nicht, dass Ehemann Witwerrente erhält Die Mutter der Verstorbenen schrieb an den Rententräger, sie wolle nicht, dass der Kläger eine Witwerrente erhalte. Denn er habe ihre Tochter nur wegen der Versorgung nach deren Tod geheiratet. Der Rententräger lehnte den Widerspruch des Ehemanns ab. Er habe die gesetzliche Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorlag, nicht widerlegen können. Er hätte von der Krankheit gewusst und auch gewusst, dass ein tödlicher Ausgang nicht auszuschließen sei. Auch lässt sich kein ernsthafter Wille zur Adoption nachweisen. Es geht vor das Sozialgericht Der Ehemann klagte vor dem Sozialgericht Marburg und argumentierte, weder er noch seine Ehefrau hätten zum Zeitpunkt der Eheschließung überhaupt vom Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente gewusst. Die Adoption sei fest beabsichtigt gewesen und nur aufgrund von Auseinandersetzungen mit der Familie der Ehefrau gescheitert. Sie beide hätten lange vorher heiraten wollen. Das Sozialgericht lehnte die Klage ab. Fest stehe, dass die Adoption nicht stattgefunden habe, und die Gründe hierfür könnten im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht ermittelt werden. Auch stehe infrage, warum die beiden bei den genannten Motiven nicht bereits beim erstmaligen Auftreten der Krankheit geheiratet hätten. Keinen tödlichen Verlauf erwartet Der Ehemann legte Klage vor dem Landessozialgericht Hessen ein. Hier sagte er, zum Zeitpunkt der Eheschließung seien seine Frau und er fest davon ausgegangen, dass die Krankheit nicht tödlich enden würde. Besonders der Gedanke, sie könne innerhalb des nächsten Jahres sterben, habe ihnen fern gelegen. Bei der Adoption käme es darauf an, dass sie diese ernsthaft beabsichtigt und mit größter Eile vorangetrieben hätten. Dass sie letztlich gescheitert sei, spiele für die Ernsthaftigkeit keine Rolle. Die Vorwürfe der Mutter seien ungerechtfertigt. Kein Erfolg auch vor dem Landessozialgericht Auch die Berufung blieb erfolglos. Das Landessozialgericht erläuterte: Die Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorliege, sei nur dann widerlegt, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten den Schluss zuließe, dass die Versorgung nicht der überwiegende Zweck der Heirat war. Diese Vermutung zu widerlegen, bedeute, das Gegenteil zu beweisen. Das hätte der Kläger nicht getan. Die schwere Krebserkrankung der Verstorbenen würde zunächst auf eine Versorgungsehe hindeuten. Deren Unheilbarkeit sei zum Zeitpunkt der Heirat bekannt gewesen. Das eilige Vorantreiben der Adoption verstärke sogar die Vermutung, dass die Betroffenen von einem baldigen Tod ausgegangen seien. Dies hätte der Kläger auch selbst gegenüber dem zuständigen Jugendamt ausgeführt. Zwar treffe zu, dass eine Versorgungsehe ausscheide, wenn die Ehepartner nichts vom Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente wussten. Doch dies sei nicht nachgewiesen worden. Die langjährige Beziehung der beiden Partner spreche ebenfalls nicht gegen eine Versorgungsehe, da sie die Ehe ja gerade dann eingingen, als die Krankheit der Frau bekannt geworden war. Dies spreche eher für eine Versorgungsehe als dagegen. Die "tiefen Gefühle" für die Verstorbene, die der Ehemann geltend machte, würden nicht gegen eine Versorgungsehe sprechen. Ihr Vorhandensein würde gerade keine Eheschließung ausschließen, die in erster Linie dazu diene, den überlebenden Partner zu versorgen. Wann spricht eine Adoption gegen eine Versorgungsehe? Das Gericht führte aus, dass ein Adoptionsverfahren ein Indiz gegen eine Versorgungsehe sein kann. Allerdings gelte das nur, wenn es bereits vor beziehungsweise mit der Eheschließung eingeleitet und erfolgreich abgeschlossen würde. Dies sei hier gerade nicht der Fall.
19. Juni 2025
Die Steuererklärung gehört für viele Rentnerinnen und Rentner zu den weniger romantischen Seiten des Lebensabends. Doch wer sich spät noch einmal traut, kann seine Steuerlast unter Umständen deutlich senken. Der Schlüssel heißt Ehegattensplitting – eine Regel, die seit Jahrzehnten im Einkommensteuergesetz verankert ist und gerade bei unterschiedlich hohen Renten zum spürbaren Entlastungsfaktor wird. Das Prinzip: Halbieren, versteuern, verdoppeln Beim Splittingverfahren werden die Einkünfte beider Ehegatten zunächst addiert, anschließend durch zwei geteilt und dieser halbe Betrag mit dem Steuertarif belegt. Das Ergebnis wird schließlich verdoppelt. "Weil das deutsche Einkommensteuersystem progressiv ist, profitiert vor allem ein Paar, bei dem der eine Partner ein deutlich höheres zu versteuerndes Einkommen bezieht als der andere", sagt der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt. Dadurch rutschen beide gemeinsam in eine niedrigere Tarifzone; hohe Marginalsätze fangen weniger stark an zu greifen. Die Regel ist in § 26 EStG verankert und kann von verheirateten, aber auch von eingetragenen Lebenspartnern genutzt werden. Warum gerade Rentnerpaare profitieren Seit der Rentenreform 2005 wächst der steuerpflichtige Anteil jeder Neurente schrittweise an. 2025 unterliegt bereits ein Rentenzugang zu 100 Prozent der Besteuerung – nur der Grundfreibetrag bleibt steuerfrei. Er beträgt im Jahr 2025 für Alleinstehende 12 096 Euro und für gemeinsam veranlagte Ehepaare das Doppelte, also 24 192 Euro. Damit wird die steuerliche Schere zwischen zwei Partnern im Ruhestand oft größer: Wer jahrzehntelang Vollzeit gearbeitet hat, liegt mit seiner Bruttorente nicht selten klar über dem Grundfreibetrag, während die Rente eines Partners mit Teilzeit- oder Familienjahren oft weit darunter bleibt. Genau hier setzt das Splitting an und glättet die Einkünfte. Beispielrechnung: Mehr als tausend Euro Ersparnis pro Jahr Ein Rentner erhält 2 500 Euro, seine Partnerin 1 000 Euro monatlich. Zusammen ergibt das 42 000 Euro Jahresbruttorente. Nach Abzug der Versorgungsfreibeträge und Werbungskostenpauschalen liegt das gemeinsame zu versteuernde Einkommen im vereinfachten Rechenbeispiel bei rund 30 000 Euro. Werden beide einzeln veranlagt, fällt auf den größeren Anteil ein deutlich höherer Grenzsteuersatz an: In der Splittingtabelle für 2025 läge die Gesamteinkommensteuer in dieser Konstellation bei rund 3 500 Euro. "Wählen beide hingegen die Zusammenveranlagung, sinkt die Steuerlast auf etwa 2 300 Euro. Das sind mehr als 1 000 Euro Netto-Plus, ohne dass sich an der tatsächlichen Rentenhöhe irgendetwas ändert", sagt der Experte. Das Gnadenjahr: Steuerliche Schonfrist nach dem Verlust des Partners Stirbt ein Ehegatte, darf der überlebende Partner nicht nur im Todesjahr, sondern auch im darauffolgenden Kalenderjahr weiterhin den Splittingtarif nutzen – obwohl er nun allein veranlagt wird. Diese Sonderregel, umgangssprachlich “Gnadenjahr” oder “Witwensplitting” genannt, soll verhindern, dass die Steuerbelastung abrupt ansteigt. Rechtlich fußt sie auf § 32a Abs. 6 Nr. 2 EStG. Ab dem zweiten Folgejahr greift dann jedoch die Einzelveranlagung auf Basis des Grundtarifs. Wer eine höhere Rente bezieht, spürt den Wegfall des Splittingeffekts unmittelbar in Form einer höheren Einkommensteuer. Lesen Sie auch: - Rente 1800 Euro - Wie viel wird im Jahr 2025 abgezogen? Jenseits der Einkommensteuer: Freibeträge, Versorgung, Krankenversicherung "Eine Eheschließung im Alter hat weitere finanzielle Folgen. In der Erbschaftsteuer steigt der Freibetrag für Ehegatten auf 500 000 Euro; unverheiratete Partner können lediglich 20 000 Euro steuerfrei erben, zudem unterliegen sie höheren Steuersätzen", so Anhalt. Auch bei der Hinterbliebenenversorgung zeigt sich eine deutliche Differenz: Nur ein verheirateter Partner hat Anspruch auf die große oder kleine Witwen- bzw. Witwerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Gleiches gilt für die Beihilfe im öffentlichen Dienst und für betriebliche Pensionszusagen. Schließlich können sich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verändern, weil bei gesetzlich Versicherten der Splittingtarif indirekt das maßgebliche Einkommen beeinflusst. Wann sich die späte Trauung rechnet – und wann Vorsicht geboten ist Ein klarer Vorteil entsteht meist, wenn die Renten deutlich auseinanderliegen oder wenn zusätzlich Einkünfte aus Vermietung, Kapitalanlagen oder Nebentätigkeiten vorhanden sind. Wer dagegen als Paar bereits heute insgesamt unterhalb des doppelten Grundfreibetrags bleibt, schöpft den Splittingeffekt kaum aus. Gleiches gilt, wenn hohe Pflegekosten steuerlich absetzbar sind; sie können den individuellen Steuersatz bereits so weit drücken, dass der Mehrwert des Splittings schrumpft. Ohne Beratung geht es selten Selbst wenn das Grundprinzip einfach klingt, hängen die wirklichen Effekte von vielen Variablen ab: vom individuellen Rentenzugangsjahr und dessen Besteuerungsanteil, von Nebeneinkünften oder Verlustvorträgen, von Pflege- und Krankheitskosten, vom Kirchensteuerstatus sowie von künftigen Rentenerhöhungen. Eine Simulation mit aktueller Splitting- und Grundtabelle, ergänzt um die eigenen Daten, liefert verlässliche Zahlen. Steuerberaterinnen, Lohnsteuerhilfevereine oder Fachanwälte für Erbrecht können dabei helfen, Fallstricke zu vermeiden und auch nichtsteuerliche Aspekte – etwa Güterstand, Pflichtteilsrechte oder Pflegeabsicherung – einzubeziehen. Fazit Für Rentnerinnen und Rentner ist das Ehegattensplitting weit mehr als eine theoretische Rechengröße. Wer im Alter noch heiratet oder die Form der Veranlagung ändert, kann durch den Splittingtarif jährlich vierstellige Beträge sparen, solange die Renten spürbar unterschiedlich ausfallen. Das Gnadenjahr mildert nach einem Trauerfall die steuerliche Belastung, und auch in der Erbschaftsteuer bringt der Trauschein erhebliche Freibeträge.
19. Juni 2025
Jobcenter müssen in außergewöhnlichen Lebenssituationen zusätzliche Leistungen gewähren, auch wenn diese im Sozialgesetzbuch II nicht erfasst sind. So entschied das Sozialgericht Mainz. (S 15 AS 708/14) Wohnung verloren und Möbel untergebracht Der Betroffene hatte seine Wohnung verloren und musste seine Möbel und persönliche Gegenstände unterbringen. Für das Lagern zahlte er monatlich 223,72 Euro Miete. Für diese Mietzahlung beantragte er beim Jobcenter Mainz die Übernahme der Kosten. Jobcenter will nicht für Lagerung aufkommen Das Jobcenter lehnte den Antrag ab. Es begründete die Verweigerung damit, dass zwar ausnahmsweise Kosten getragen werden könnten für zusätzlichen Lagerraum. Dies gelte allerdings, wenn eine Wohnung so klein sei, dass dies für eine Unterbringung persönlicher Gegenstände notwendig sei. Der Betroffene hätte jedoch gar keine Wohnung, und deshalb benötigt er den Lagerraum nicht zusätzlich. Da es sich nicht um eine Unterkunft im Sinne des Gesetzes handelt, könnten die entstehenden Kosten von der Behörde auch nicht als Kosten der Unterkunft getragen werden. Betroffener sieht sich als Sonderfall Der Betroffene argumentierte dagegen, er sei obdachlos und insofern liege bei ihm der Sonderfall vor, dass nur Lagerkosten und keine Wohnkosten anfielen. Er habe zudem besondere Schwierigkeiten, eine neue Wohnung zu finden. Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Betroffene vor dem Sozialgericht Mainz. Lesen Sie auch: Bürgergeld: Jobcenter muss die Reparatur des Autos zahlen Wie hoch darf die Miete für eine Person im Bürgergeld sein? – Tabelle 2025 Jobcenter muss grundsätzlich in besonderen Fällen zusätzliche Leistungen zahlen Das Sozialgericht stimmte dem Jobcenter so weit zu, dass durch die Einlagerung der Möbel das Grundbedürfnis einer angemessenen Unterkunft nicht befriedigt werden könne. Auch seien Möbelkosten in der Regelleistung als Bedarf enthalten. Das Jobcenter habe aber nicht berücksichtigt, dass es in außergewöhnlichen Lebenssituationen Bedarfe gebe, die nicht nur einmalig, sondern laufend entstünden und die auch durch Ansparen nicht aufgefangen werden könnten. In solchen Fällen müsste das Jobcenter zusätzliche Leistungen gewähren. Das würde dann auch für die strittigen Lagerungskosten in diesem Fall gelten. Mehrbedarf besteht wenn es keine Alternativen gibt Ein solcher Mehrbedarf bestehe aber nur dann, wenn dieser Bedarf sich nicht auf andere Weise decken lasse. Dazu zählten Zuwendungen Dritter oder das Ausschöpfen von Einsparmöglichkeiten. Keine Übernahme der Lagerkosten Das Sozialgericht bezweifelte, dass der Betroffene die Alternativen ausgereizt hätte. Erst einmal war es nicht überzeugt, dass die monatliche Miete für die Lagerung tatsächlich 223,72 Euro betrug. Zweitens hätte der Kläger durch Verkauf von Möbeln bereits einen Teil der Schulden tilgen können. Ihm sei dabei zumutbar, und es sei auch möglich gewesen, weitere Möbel, darunter eine hochwertige Küche, zu verkaufen, und auf diesem Weg die Einlagerung zu finanzieren. Da er diese Möglichkeiten nicht genutzt hätte, bestehe kein Anspruch auf Mehrbedarf. Fazit Wichtig für Bürgergeld-Bezieher ist nicht, dass das Sozialgericht entschied, dass der Betroffene im konkreten Fall keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen hatte. Entscheidend ist vielmehr, dass ein solcher Anspruch besteht, wenn die Situation so außergewöhnlich ist, dass ein besonderer Bedarf besteht. Dies gilt ausdrücklich für Situationen, die in den Regelsätzen und der Grundversorgung nicht enthalten sind. Dann entscheidet nämlich der Einzelfall. Eine zusätzliche Leistung für einen außergewöhnlichen Bedarf setzt voraus, dass dieser Bedarf nicht anderweitig gedeckt werden kann.
19. Juni 2025
Wenn Sie Angehörige pflegen, ist eine Erwerbstätigkeit in vielen Fällen nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Der dadurch entstehende Einkommensverlust kann zu finanziellen Sorgen führen. Doch es gibt Möglichkeiten, wie Sie zumindest einen Teil des Verdienstausfalls ausgleichen können – durch Pflegegeld, Sozialleistungen und besondere Regelungen bei der Arbeitsagentur. Wir zeigen Ihnen, welche Ansprüche Sie haben und wie Sie sie nutzen. Pflegegeld – kein Gehalt, aber eine finanzielle Unterstützung Ein eigenes Gehalt für pflegende Angehörige – wie das Elterngeld für Eltern – gibt es nicht. Das sogenannte Pflegegeld wird ausschließlich an die pflegebedürftige Person gezahlt. Es steht ab Pflegegrad 2 zur Verfügung und beträgt derzeit (Stand 2025): Pflegegrad 2: 347 Euro pro Monat Pflegegrad 3: 545 Euro Pflegegrad 4: 728 Euro Pflegegrad 5: 989 Euro Das Pflegegeld dient der freien Verfügung des Pflegebedürftigen und soll die häusliche Pflege unterstützen. Der Gesetzgeber erlaubt ausdrücklich, dass dieses Geld an die pflegende Person weitergegeben wird – z. B. als Anerkennung für Zeit, Einsatz und entgangenes Einkommen. Eine rechtliche Verpflichtung zur Weitergabe besteht jedoch nicht. Wichtig: Diese Weitergabe kann formlos geschehen, etwa durch eine mündliche Vereinbarung. Es empfiehlt sich dennoch, dies schriftlich festzuhalten, um spätere Missverständnisse zu vermeiden. Pflegegeld ist steuer- und abgabenfrei Wenn Sie das Pflegegeld erhalten, müssen Sie darauf weder Steuern zahlen noch Sozialabgaben leisten. Auch für Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Grundsicherung, Bürgergeld oder Wohngeld gilt: Das Pflegegeld wird in der Regel nicht als Einkommen gewertet, sofern die Pflege nicht berufsmäßig erfolgt. Fairness in der Familie – über Geld offen sprechen In vielen Familien ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Pflege übernommen wird – oft stillschweigend, ohne finanzielle Gegenleistung. Dennoch gilt: Wer durch die Pflege beruflich zurücksteckt oder ganz auf die Arbeit verzichtet, darf eine Anerkennung erwarten. Wenn Sie z. B. Ihren Vater pflegen, während das Pflegegeld zurückgelegt oder für andere Zwecke genutzt wird (etwa für Geschwister, die sich nicht beteiligen), kann ein klärendes Gespräch sinnvoll sein. Es geht nicht um Bezahlung im klassischen Sinn, sondern um Gerechtigkeit. Wohngeld – wenn das Einkommen durch Pflege sinkt Wenn Sie wegen der Pflege weniger verdienen oder nicht arbeiten können, prüfen Sie, ob Sie Wohngeld (bei Mietwohnungen) oder einen Lastenzuschuss (bei Wohneigentum) beantragen können. Wohngeld ist eine staatliche Leistung zur Unterstützung der Wohnkosten, wenn das Einkommen zwar für den Lebensunterhalt reicht, aber nicht für die Miete. Ob Sie anspruchsberechtigt sind, hängt von Ihrem Einkommen, der Miete und der Haushaltsgröße ab. Tipp: Auch wenn Sie über dem Existenzminimum verdienen, aber deutlich unter dem Durchschnitt, lohnt sich der Antrag bei der örtlichen Wohngeldstelle. Das an Sie weitergeleitete Pflegegeld bleibt dabei in den meisten Fällen einkommensneutral. Bürgergeld – Pflege kann eine Erwerbstätigkeit unzumutbar machen Viele pflegende Angehörige sind auf Bürgergeld angewiesen, ganz oder ergänzend. Grundsätzlich gilt beim Bürgergeld: Sie müssen hilfebedürftig und erwerbsfähig sein Erwerbsfähig bedeutet: Sie müssen bereit sein, zumutbare Arbeit aufzunehmen Bei der Pflege von Angehörigen gelten jedoch besondere Regelungen: Ob eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, hängt vom Pflegegrad und dem tatsächlichen Pflegeaufwand ab. Orientierung bietet folgende Faustregel (keine feste gesetzliche Vorgabe): Pflegegrad 1: Erwerbsarbeit – auch Vollzeit – ist i. d. R. zumutbar Pflegegrad 2–3: Bis zu 6 Stunden tägliche Arbeit können möglich sein – je nach Pflegeaufwand Pflegegrad 4–5: Erwerbsarbeit kann als unzumutbar gelten, wenn Sie regelmäßig über längere Zeit täglich pflegen Die Entscheidung trifft das Jobcenter im Einzelfall. Lassen Sie sich beraten und dokumentieren Sie Ihren Pflegeaufwand sorgfältig. Arbeitslosengeld während Pflegezeit – eine rechtliche Sonderregel Wenn Sie Angehörige mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine unbezahlte Freistellung vom Arbeitgeber für bis zu sechs Monate (Familienpflegezeit nach § 3 Pflege-ZG). In dieser Zeit erhalten Sie kein Gehalt, das Arbeitsverhältnis bleibt aber bestehen. Gut zu wissen: Unter bestimmten Bedingungen können Sie in dieser Zeit dennoch Arbeitslosengeld I beziehen. Entscheidend ist, dass Sie: beschäftigungslos, aber weiterhin sozialversicherungspflichtig waren sich grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen (sofern mit der Pflege vereinbar) Die Bundesagentur für Arbeit erkennt an, dass Pflege auch dann als Beschäftigungslosigkeit gewertet wird, wenn kein Gehalt gezahlt wird und die Pflege nicht berufsmäßig erfolgt – auch wenn das Pflegegeld an Sie weitergeleitet wird. Lassen Sie sich bei der Agentur für Arbeit individuell beraten und prüfen Sie im Vorfeld, ob Sie die Voraussetzungen für Arbeitslosengeld erfüllen (z. B. 12 Monate Versicherungspflicht innerhalb der letzten 30 Monate).
19. Juni 2025
Krankenkassen dürfen Krankengeld nicht mit der Begründung verweigern, dass der nötige Arzt-Patienten-Kontakt nicht rechtzeitig stattfand. Das gilt dann, wenn die Gründe für die Verspätung nicht beim Versicherten, sondern beim Vertragsarzt liegen und auch den Krankenkassen zuzurechnen sind. So entschied das Hessische Landessozialgericht (L 1 KR 125/20) Krankengeld bei gleichbleibender Diagnose Die Betroffene war gesetzlich krankenversichert und wegen Schwindel, Taumel und sonstigen Störungen arbeitsunfähig erkrankt. Sie bezog Krankengeld. Sie reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit gleichbleibender Diagnose vor für die Zeit vom 20. August 2018 bis 7. September 2018 (Freitag). Die nächste AU reichte sie am Mittwoch, den 12. September 2018 ein, für die Zeit vom 12. September bis zum 28. September 2018. Lesen Sie auch: - Krankengeld: Rentenansprüche und frühzeitige Rente möglich Krankenkasse verlangt lückenlosen Krankheitsverlauf Die Krankenkasse lehnte es ab, weiterhin Krankengeld zu zahlen. Dafür sei nämlich ein lückenloser und durchgehender Krankheitsverlauf nachzuweisen, und diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Denn die Folgebescheinigung sei erst auf den 12. September datiert. Verspäteter Termin beim Vertretungsarzt Die Erkrankte legte Widerspruch ein. Sie argumentierte, es liege ein zu berücksichtigender Ausnahmefall vor. Sie habe sich nämlich bereits am 10. September telefonisch bei ihrem behandelnden Arzt gemeldet, um die Bescheinigung zu erhalten. Doch ihr Hausarzt sei im Urlaub gewesen, und bei dessen Vertreter sei erst am 12. September ein Termin frei geworden. Patientin ruft immer zuerst beim Arzt an Dies sei der Grund, warum sie erst ab dem 12. September 2018 die Folgebescheinigung erhalten habe. Wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen melde sie sich immer erst telefonisch beim behandelnden Arzt an. Sie könne nämlich kein Auto fahren, und zu Fuß ginge sie aufgrund ihrer Erkrankung unsicher. Krankenkasse fordert persönlichen Kontakt Die Krankenkasse wies den Widerspruch zurück und erklärte, es liege keine Ausnahme vor. Den Arzt anzurufen, reiche nicht, ein unmittelbarer persönlicher Kontakt sei notwendig. Wenn der Arzt beim persönlichen Kontakt keine Folgebescheinigung ausstelle, dann sei dies der Krankenkasse zuzurechnen. Das sei hier aber nicht gegeben. Alles in der Macht Stehende getan Die Betroffene klagte vor dem Sozialgericht, und es ging in Berufung vor das Hessische Landessozialgericht. Ihr Prozessbevollmächtigter erklärte, die betroffene habe sich am Montag, den 10. September 2018, also pünktlich, per Telefon bei ihrem Hausarzt bemüht, ihre Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Sie sei an die Urlaubsvertretung verwiesen worden. Dort habe sie erst für Mittwoch einen Termin bekommen. Sie habe also alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Arbeitsunfähigkeit fortschreiben zu lassen. Hausarzt ist für Verzögerung verantwortlich Die Verzögerung falle nicht in ihre Verantwortung, sondern in die des Hausarztes und seiner Vertretung. Die Betroffene wies ein Attest ihres Arztes vor, in dem dieser bestätigte, dass er am 10. September in Urlaub gewesen sei, und deswegen erst am 12. September ein Termin möglich geworden sei. Das Landessozialgericht entschied für die Betroffene und bezog sich dabei auf das Bundessozialgericht: „Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) diese Rechtsprechung dahingehend fortentwickelt, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkassen zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R, Rn. 22, juris).“ Die Krankenkasse muss zahlen Die Obliegenheiten eines Versicherten könnten nur das umfassen, was in seiner Macht stünde. Deshalb erklärten die Richter: „In diesem Sinne dürfen auch Krankenkassen gegenüber dem Krankengeldanspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen und die auch den Krankenkassen zuzurechnen sind.“ Deshalb musste die Krankenkasse das Krankengeld weiterhin auszahlen.
19. Juni 2025
Die Schufa Holding AG steht so stark unter Druck wie nie zuvor: innerhalb von anderthalb Jahren haben nationale Gerichte und der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Reihe von Urteilen gefällt, die das Geschäftsmodell der größten deutschen Auskunftei grundlegend in Frage stellen. Spätestens seit das Landgericht Bayreuth einer Kundin 3 000 Euro immateriellen Schadenersatz zusprach und die Offenlegung sämtlicher Berechnungsgrundlagen ihres Bonitätsscores verlangte, dürften Transparenz und Datensparsamkeit für die Schufa zur Existenzfrage geworden sein. Der erste Dammbruch: Luxemburg Ausgangspunkt der Entwicklung war ein Urteil des EuGH in der Rechtssache C-634/21. Die Luxemburger Richter stellten klar, dass die automatisierte Erstellung und Weitergabe eines Bonitätsscores eine „Entscheidung im Einzelfall“ im Sinne von Artikel 22 DSGVO darstellt, wenn Dritte (etwa Banken oder Mobilfunkanbieter) diesen Wert zur vollautomatischen Vertragsentscheidung nutzen. Ohne nachträgliche menschliche Prüfung ist ein solches Verfahren unzulässig. Mehr Transparenz als Grundrecht Nur 14 Monate später präzisierte der EuGH in der Rechtssache C-203/22 seine Linie: Betroffene haben Anspruch auf „aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik“ des Scorings. Die bloße Nennung abstrakter Faktoren genügt nicht; Auskunfteien müssen im Einzelfall erläutern, welche konkreten Daten herangezogen und wie sie gewichtet wurden. Geschäftsgeheimnisse haben hier zurückzutreten, sofern sie eine wirksame Rechtewahrnehmung verhindern würden. Nationale Gerichte folgen: Das Ende der Drei-Jahres-Frist Das Oberlandesgericht Köln erklärte am 10. April 2025, die langjährige Praxis, erledigte Negativmerkmale noch drei Jahre zu speichern, sei mit der DSGVO unvereinbar. Sobald ein Gläubiger die vollständige Tilgung bestätigt, fehle jede Rechtsgrundlage für eine weitere Speicherung. Lesen Sie auch: - SCHUFA muss bezahlte Einträge jetzt löschen: Das solltest Du jetzt tun Erste Instanzen setzen um Nur eine Woche später schloss sich das Landgericht Aachen dem Kölner Urteil an und verpflichtete die Schufa, den Eintrag eines Verbrauchers sofort zu löschen und den Score neu zu berechnen. Rechtswidriges Vollautomatismus: Landgericht Bamberg Am 26. März 2025 ging das Landgericht Bamberg noch weiter: Es erklärte das vollautomatisierte Scoring generell für rechtswidrig, wenn keine individuelle menschliche Kontrolle erfolgt. Der Kläger erhielt 1 000 Euro Schadenersatz – ein wichtiges Signal, dass immaterielle Schäden nach Artikel 82 DSGVO auch in Deutschland messbar werden. Paukenschlag in Bayreuth: Offenlegungspflicht und 3 000 Euro Entschädigung Im Mai 2025 verhängte das Landgericht Bayreuth den bislang höchsten immateriellen Schadensersatz. Die Richter verlangten nicht nur die komplette Offenlegung der individuellen Score-Berechnung, sondern stellten fest, dass der Ablehnungsautomatismus ohne menschliche Beteiligung gegen Artikel 22 DSGVO verstößt. Die Auskunftei müsse künftig exakt benennen, welche einzelnen Rohdaten in den Score eingeflossen seien und mit welchem Gewicht. Automatisierte Entscheidungen unter Artikel 22 DSGVO Die Urteile knüpfen alle an denselben Zentralbegriff an: „vollautomatisierte Entscheidung ohne menschliches Eingreifen“. Der EuGH hat klar gemacht, dass ein solcher Prozess nur zulässig ist, wenn Betroffene ausdrücklich zustimmen oder wenn nationalstaatliches Recht dies vorsieht – beides trifft auf das klassische Bonitäts-Scoring nicht zu. Neue Rechte für Menschen mit Schulden und Verbraucher Wer heute einen ungerechtfertigten Score oder veraltete Negativmerkmale vermutet, kann sich auf ein ganzes Bündel von Ansprüchen berufen: unverzügliche Löschung erledigter Forderungen, detaillierte Auskunft über die Score-Logik und Schadenersatz bei wirtschaftlichen Nachteilen oder emotionaler Belastung. Für viele Betroffene ist der Gang zum Gericht nicht mehr die Ausnahme, sondern ein realistisches Druckmittel. Konsequenzen auch für Banken und Mobilfunkanbieter Auch Kreditgeber und Dienstleister geraten in die Zange. Wer sich allein auf einen intransparenten Schufa-Score stützt, riskiert, dass sein Vertragsentscheid später als verbotene automatisierte Entscheidung eingestuft wird. Einige Institute haben bereits parallel laufende manuelle Prüfstrecken eingerichtet, um Rechtsrisiken zu minimieren. Lesen Sie auch: - Doppelskandal: Wie die Schufa den Rechtsweg unterläuft Offene Baustellen und Revisionen Die Schufa hat gegen das Kölner Urteil Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, während andere Oberlandesgerichte an der 36-Monats-Frist festhalten. Bis der BGH spricht, bleibt die Rechtslage fragmentiert. Dennoch sorgen die EuGH-Vorgaben dafür, dass Transparenz und Datensparsamkeit nicht länger verhandelbar sind. Branchenbeobachter erwarten, dass der Gesetzgeber die europäischen Vorgaben in eine klare nationale Regelung überführt. Die Serie von Urteilen deutet auf eine Zeitenwende: Bonitätsinformationen bleiben wichtig, doch künftig müssen sie nachvollziehbar, aktuell und überprüft sein. Die Schufa steht vor der Wahl, ihr Geschäftsmodell grundlegend umzubauen oder jahrelange Rechtsstreitigkeiten zu riskieren. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das mehr Kontrolle über die eigenen Daten und die Chance, Fehlentscheidungen schneller zu korrigieren. Die Rechtsprechung hat Schufa-Scores vom Mythos zum prüfbaren Produkt gemacht – mit allen Konsequenzen für das Kreditwesen in Deutschland.
19. Juni 2025
Laut dem Kündigungsschutzgesetz muss eine entsprechende Klage innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingegangen sein. Doch das Arbeitsgericht Iserlohn entschied bei einem Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung, dass das in Ausnahmen nicht gilt. (4 Ca 675/23) Warum in diesem Fall die Klagefrist nicht von Bedeutung war, worauf Sie als Mensch mit Behinderung bei Klagen des Arbeitgebers achten müssen, und welche Nachteilsausgleiche Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsplatz haben, das zeigen wir Ihnen in diesem Beitrag. Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes Bei Schwerbehinderung gelten am Arbeitsplatz Nachteilsausgleiche. Zu diesen gehört, dass der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen muss, bevor er einem Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung kündigt. Bei dem Betroffenen hatte der Arbeitgeber jedoch gekündigt, ohne die Zustimmung des Integrationsamtes zu erhalten. Klage erst fünf Monate nach der Kündigung Trotzdem legte der Betroffene erst einmal keine Kündigungsschutzklage ein. Erst der Rechtsschutz des DGB informierte ihn, dass eine Kündigung in seinem nicht wirksam sei, wenn der Arbeitgeber diese ohne Bestätigung des Integrationsamtes ausspreche. Nach und wegen dieser Beratung klagte der Betroffene. Seit dem Zugang der Kündigung waren inzwischen fünf Monate verstrichen. Arbeitsgericht nimmt die Klage an Das Arbeitsgericht nahm die Klage nicht nur an, sondern erklärte die Kündigung auch für nichtig. Es erklärte, die Kündigung sei nicht wirksam, die Klage war nicht verfristet, da die Frist gemäß § 4 Satz 4 KSchG erst mit Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes zu laufen beginnt – eine solche Entscheidung lag nicht vor. Laut Kündigungsschutzgesetz laufe die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde, wenn die Kündigung einer solchen behördlichen Zustimmung bedürfe. Klagefrist hatte nicht einmal begonnen Die zuständige Behörde war in diesem Fall das Integrationsamt. Da dieses aber nicht um seine Zustimmung ersucht worden war, fehlte auch die Zustimmung, was gerade der Inhalt der Klage war. Wie lautet die gesetzliche Regelung? Im Kündigungsschutzgesetz ist das Verfahren klar definiert. Dort steht im Paragrafen 4: „Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.“ Nachteilsausgleiche bei Schwerbehinderung Menschen mit Schwerbehinderung und diesen am Arbeitsplatz Gleichgestellte haben Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz. Diese sollen ihnen ermöglichen, am Arbeitsleben teilzuhaben, ohne wegen ihrer Einschränkungen benachteiligt zu werden. Zu diesen Nachteilsausgleichen gehört eine angepasste Gestaltung des Arbeitsumfelds, das Recht auf zusätzliche Urlaubstage, das Verbot von Mehrarbeit und die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente ohne Abschläge. Wichtig ist auch ein besonderer Kündigungsschutz. Zustimmung gilt bei allen Kündigungen So muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung eines Betroffenen die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Das gilt für alle Arten von Kündigungen und ist unabhängig vom Grund der beabsichtigten Kündigung. Es gilt nicht bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder in gegenseitigem Einverständnis. Außerdem gibt es bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ein Präventionsverfahren sowie ein Betriebliches Eingliederungsmanagement, um zu verhindern, dass es überhaupt zu einer Kündigung kommt.
19. Juni 2025
Im Amt für Soziale Dienste der Freien Hansestadt Bremen schrieben zwei Sachbearbeiterinnen jahrelang ein Drehbuch, das in keinem Krimi glaubwürdiger inszeniert sein könnte. Zwischen Januar 2022 und August 2024 erfanden sie mehr als dreißig alleinerziehende Elternteile, konstruierten dazu Dutzende Kinder und ließen die IT-Fachanwendung OK.UVIS Monat für Monat Unterhaltsvorschuss auf eigene Konten überweisen. Im Durchschnitt verschwanden so 13 500 Euro pro Monat; am Ende fehlten 418 000 Euro in der Landeskasse. Erst eine Routineprüfung im Sommer 2024 ließ das Kartenhaus einstürzen – woraufhin die Behördenleiter die Beschäftigten fristlos entließen und die Staatsanwaltschaft Bremen mit Ermittlungen beauftragten. Die Spur des Geldes Das Konstrukt war ebenso simpel wie wirkungsvoll. Die Täterinnen legten in der Fachsoftware realistisch wirkende Akten samt Geburtsdaten und Meldeanschriften an. Ihre eigenen – tatsächlich existierenden – IBANs tarnten sie als Treuhand- oder Sammelkonten der angeblichen Alleinerziehenden. Weil das System Zahlungen automatisch generiert, wanderte der Unterhaltsvorschuss am ersten Werktag jedes Monats ohne weitere Prüfschritte auf private Konten. Das übliche Vier-Augen-Prinzip griff nicht: Anders als bei anderen Leistungen schreibt die Unterhaltsvorschussstelle alle Änderungen unmittelbar in die Zahlungsdatei. Ein Kontrollbericht, der Querschnittsauswertungen ermöglicht hätte, existierte nicht. Erst die interne Revision stieß auf Unregelmäßigkeiten, als mehrere Konten zwecks Jahresabschluss stichprobenartig mit Meldedaten abgeglichen wurden. Ermittlungen bis ins Ausland So eindeutig die Manipulation innerhalb der Bremer IT war, so komplex gestaltet sich die strafrechtliche Aufarbeitung. Die Staatsanwaltschaft hat Rechtshilfeersuchen nach Polen und in die Niederlande gestellt, weil ein Teil des Geldes unmittelbar nach Eingang in Bremer Banken weitergeleitet wurde. Bislang trafen ausländische Institute nur fragmentarische Informationen zu den Kontobewegungen ein. Laut Staatsanwältin Melanie Frerichs können Anklagen erst erhoben werden, wenn alle Zahlungswege rekonstruiert sind – realistisch sei das frühestens im vierten Quartal 2025. Jeder zusätzliche Monat verzögert nicht nur den Prozess, sondern erhöht die Gefahr, dass Gelder unwiederbringlich verschwinden. Lesen Sie auch: - Sozialamt forderte Vollmacht für das Bankkonto - Sonst Verlust der Sozialhilfe-Leistungen Politisches Donnerwetter Der Betrugsfall fachte eine hitzige Debatte in der Bremischen Bürgerschaft an. Oppositionsparteien warfen der rot-grün-roten Koalition „organisiertes Wegschauen“ vor. Sozialsenatorin Claudia Schilling versprach ein Reformpaket, das Technik, Kontrolle und Verwaltungskultur gleichermaßen adressieren soll. Ab Juli 2025 wird die Fachanwendung schrittweise auf Zwei-Faktor-Authentifizierung umgestellt; ein Algorithmus soll täglich zufällige Akten auf Plausibilität prüfen und damit das menschliche Vier-Augen-Prinzip digital abbilden. Ergänzend werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes verpflichtend in Anti-Korruptionstrainings geschult; ein anonymes Hinweisgeber-System soll Whistleblowern Schutz bieten. Während die Regierungsfraktionen den Plan als „robuste Antwort“ feiern, bezweifeln Verbände der Alleinerziehenden, ob interne Nachbesserungen genügen. Sie fordern – nach Berliner und Hamburger Vorbild – eine externe Kontrollbehörde, die Sozialleistungen dauerhaft überwacht. Systemrisiko Unterhaltsvorschuss Der Unterhaltsvorschuss ist weit mehr als eine bürokratische Geldleistung. Rund 1,7 Millionen Kinder in Deutschland sind darauf angewiesen, dass der Staat einspringt, wenn ein Elternteil nicht zahlt. 2023 flossen bundesweit knapp 860 Millionen Euro in diese Ausfallleistung. Greifen Kontrollmechanismen nicht, gerät nicht nur fiskalische Integrität in Gefahr – für viele Familien steht die monatliche Miete oder das Schulessen auf dem Spiel. Bremens Panne wirft deshalb Grundsatzfragen für das gesamte System auf: Wie viel Automatisierung verträgt eine Sozialkasse? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Effizienz und Sicherheit? Und welche Rolle spielen externe Prüfinstanzen, wenn interne Strukturen versagen? Kann die Sicherheitslücke überhaupt geschlossen werden? Der angekündigte Technologieschub soll die offensichtliche Sicherheitslücke schließen: Ohne eine zweite Authentifizierungsstufe ist jede Benutzerkennung im Fachverfahren prinzipiell ein Einfallstor. Ebenso zentral ist jedoch die geplante Datenanalyse, die Musterabweichungen in Echtzeit erkennt – ein Instrument, das in Steuerverwaltungen längst Standard ist. Skeptiker verweisen darauf, dass Software immer nur so gut ist wie die Kultur, in der sie eingesetzt wird. Ein Whistleblower-System könne zwar Hinweise sammeln, doch erst eine Verwaltung, die Kritik wertschätzt, ziehe Nutzen daraus. Ob Bremen diese Kulturveränderung schafft, entscheidet sich nicht in den Patch-Notes der IT, sondern im täglichen Miteinander von Führung und Basis. Was jetzt auf dem Spiel steht Das fehlende Geld ist nur der sichtbarste Schaden. Weit gravierender ist der Vertrauensverlust – nach innen wie nach außen. Beschäftigte, die regelkonform arbeiten, fragen sich, warum Warnsignale niemand wahrnahm. Bürgerinnen und Bürger sehen ein System wanken, das eigentlich Schutz bieten soll. Die entscheidende Kennzahl der kommenden Jahre wird daher nicht mehr die Schadenssumme von 418 000 Euro sein, sondern der Betrag, den Bremen in belastbare Sicherungsmechanismen investiert. Gelingt es, digitale Kontrolle, menschliche Verantwortung und externe Aufsicht zu verzahnen, könnte der Skandal zum Katalysator einer moderneren, resilienteren Sozialverwaltung werden. Scheitert die Reform, droht ein schleichender Vertrauensverlust, dessen Preis weit höher ausfällt als jede veruntreute Summe.
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Selbstverständnis
Von der Arbeitsmarktreform sind Millionen von Menschen betroffen. Vieles ist im SGB II unklar und auf die individuellen Bedarfe des Einzelnen zu pauschal ausgelegt. Laut einiger Erhebungen, sollen nur rund 50 Prozent aller Bescheide der Jobcenter mindestens teilweise falsch und rechtswidrig sein. Das bedeutet für die Menschen oft tatsächliche Beschneidungen in Grundrechten und Ansprüchen.
Diese Plattform will daher denen eine Stimme geben, die kein Gehör finden, weil sie keine gesellschaftliche Lobby besitzen. Bezieher von Bürgergeld (ehemals Hartz IV) werden nicht selten als "dumm" oder "faul" abgestempelt. Es reicht nicht, dass Leistungsberechtigte mit den täglichen Einschränkungen zu kämpfen haben, es sind auch die täglichen Anfeindungen in den Jobcentern, in der Schule, in der Familie oder auf der Straße. Neben aktuellen Informationen zur Rechtssprechung konzentrieren wir uns auch auf Einzelfälle, die zum Teil skandalös sind. Wir decken auf und helfen damit den Betroffenen. Denn wenn eine Öffentlichkeit hergestellt wurde, müssen die Jobcenter agieren. Sie bekommen dadurch Druck. Lesen Sie mehr darüber in unserem redaktionellem Leitfaden!